Die entzündlichen Ohr-Polypen der Katze
Die entzündlichen Polypen (Ohr Polypen, Mittelohr-Polypen, Nasopharyngeale Polypen, Entzündliche Polypen) der Katze, sind keine neoplastischen Umfangsvermehrungen (also kein Krebs, wie der Volksmund sagt) [1-3]. Beim Hund sind die Polypen sehr selten. Die Polypen können, obwohl es sich nicht um bösartige Tumore handelt, unseren Haustieren erhebliche Probleme verursachen. An erster Stelle ist es sinnvoll, diese Polypen zu „ziehen“, begleitet von einer effizienten, medikamentellen Behandlung. Insgesamt ist die Prognose unter der Behandlung sehr gut. In einigen Fällen wird eine sogenannte Bulla Osteotomie erforderlich.
Die entzündlichen Ohr-Polypen treten bei der Katze am häufigsten einseitig [1] mit einem Alter von bis zu 2 Jahren auf [2,6]. Es sind gestielte, knotige Gewächse, die von Entzündungszellen infiltriert sind. Ihren Ursprung haben die Gewächse der Polypen in der Schleimhautauskleidung (Mucosa). Und zwar erwachsen die Polypen aus der Schleimhaut des Mittelohres (Paukenhöhle) oder dem Verbindungsgang zwischen Nasenrachen und Paukenhöhle (Tuba auditiva, Ohrtrompete) [1]. Die Polypen breiten sich von der Ohrtrompete in den Rachen oder in den äußeren Gehörgang oder beide Regionen aus. Wachsen die Polypen in den äußeren Gehörgang, so zerstören sie das Trommelfell durch ihr Wachstum, schieben es vor sich her, bis es reißt.
Klinisches Bild bei den entzündlichen Ohr-Polypen der Katze
Je nach dem Ort Ihres Auftretens werden verschiedene Symptome auffällig. Stimmveränderungen, geräuschvolles Atmen oder Schwierigkeiten beim Einatmen (da der Polyp die Atemwege regelrecht verlegen kann), Niesen und Husten (auf den Reiz hin), Nasenausfluss, Schluckbeschwerden, Kopfschütteln sind im wesentlichen durch die mechanische Störung hervorgerufen. Aber auch ein Vestibular-Syndrom [Kopfschiefhaltung bis hin zu Gleichgewichtsstörungen, bei denen sich die Tiere überschlagen können, sowie ein kontinuierliches hin und her Bewegen der Augen von ein zur anderen Seite] , Horner Syndrom [zusammengezogene enge Pupille, vorgefallenes drittes Augenlid und hängendes Oberlid] bis hin zur Maulsperre kann durch die neurologischen Störungen eines in den Nasenrachen hineinragenden Polypen verursacht werden [6]. Polypen, die das Trommelfell zerstört haben, verursachen oft eine starke, nicht abklingende Ohrentzündung (Otitis) die zu blutigem oder eitrigem Ausfluss aus dem betroffenen Ohr gesteigert sein kann. Begleitende Infektionen, wie auch der Druck durch das Wachstum des Polypen können die in der Paukenhöhle befindlichen Nervenstrukturen ernstahft, ja sogar lebensbedrochlich schädigen. Um diese Umfangsvermehrungen untersuchen zu können, um sie zu sauber zu diagnostizieren und von anderen Ursachen abgrenzen zu können, ist eine Anästhesie erforderlich.
Diagnostik bei entzündlichen Ohr-Polypen der Katze
Der Verdacht auf einen im Gehörgang sitzenden Polypen ist durch eine einfache Ohruntersuchung überprüfbar. Im Anschluss empfehlen wir an erster Stelle die vollständige Untersuchung der Ohren und des Rachens unter Sedation/Narkose im Verbund mit Röntgenaufnahmen des Schädels und des Brustkorbes. An Laboruntersuchungen empfehlen vor ab einen komplettes Blutprofil, Ausschluss von FIV (Felines Immunschwäche Virus = Katzenaids); FIP (Feline Infektiöse Peritonitis); FeLV (Felines Leukosevirus) sowie eine Urinanalyse. Das nebenstehende Röntgenbild eines Patienten mit Polypen im linken Ohr zeigt erhebliche Zunahme der Aufhellung und Füllung (Polyp) der knöchernen Bestandteile des linken Ohres. Dies wird insbesondere im Vergleich mit der rechten, nicht betroffenen Seite deutlich. Die Pfeile markieren die Paukenhöhle der Katze. Als Besonderheit ist die Paukenhöhle der Katze durch eine Wand (Septum) zweigekammert. Beide Kammern müssen bei einer Ventralen Bulla Osteotomie eröffnet werden.
Vorbereitungen für die operative Behandlung der entzündlichen Ohr-Polypen der Katze
Da im Bereich wesentlicher Nervenstrukturen operiert wird, bzw der Rachen-Gaumenbereich bei der Untersuchung irritiert wird, ist aus unserer Sicht eine andere Art der Narkose als der Inhalationsnarkose bzw Narkose mit Atemtubus nicht zu verantworten, da erforderlichenfalls beatmet werden kann. Die Inhalationsnarkose sollte mit Opiatgaben und Lokalanästhesie kombiniert werden, da bei dieser Operation optimale Schmerzausschaltung erforderlich ist. Kein Tier sollte nach einer solchen Operation unter Schmerzen leiden. Auch nach der Operation (ibs. der Bulla osteotomie) sollte eine Schmerz-kontrollierende Weiterbehandlung erfolgen.
Operative Behandlung der entzündlichen Ohr-Polypen der Katze durch Extraktion
Unter der Extraktion kann man das “Ziehen” der Polypen verstehen. Schon das „Ziehen“ des Polypen hat eine sehr gute Prognose. Die Extraktion der Polypen im Rachen ist bei Circa 90% der Patienten, die eine Kombinations-Behandlung in Form von Extraktion der Polypen und Medikamenten erhalten haben, erfolgreich und bleiben ohne Rezidiv. Bei den Polypen des Gehörgangs liegt die Erfolgsrate bei circa 50%. Daher ist das Ziehen der Polypen einschließlich medikamenteller Behandlung an erster Stelle zu empfehlen. Die Umfangsvermehrung in Form des Polypen (im Rachen und oder im Ohrkanal) wird mit einem chirurgischen Instrument tief gegriffen und vorsichtig unter leicht verstärkendem Zug entnommen. Dies erfolgt unter Sichtkontrolle im Otoskop bzw. Endoskop. Die Polypen des Rachen können nach Vor-Verlagerung des weichen Gaumens z.B. mit einem Kastrationshaken dargestellt werden. Um die Polypen zu ziehen, verwenden wir bevorzugt sogenannte Krokodil-Klemmen oder ähnlich aussehende Rongeure für die Atroskopie, aber auch einfache Mosquito-Klemmen. Die Entnahme erfordert eine Narkose bzw. ausreichende Schmerzausschaltung und Sedation. Nach diesem leichten Eingriff können jedoch bis zu 40% der Patienten die Komplikation Horner Syndrom (s.o.) zeigen, welches sich jedoch nach geraumer Zeit und entsprechender Behandlung zurückentwickelt.
Begleitende medikamentelle Therapie bei entzündlichen Ohr-Polypen der Katze
Die medikamentelle Therapie alleine wird das Problem mit den Polypen nicht lösen. Aber die medikamentelle Behandlung sorgt für maximale Erfolgs- bzw Heilungs-Chancen nach dem „Ziehen“ der Polypen. Zur Schmerzausschaltung geben wir systemisch im Anschluss an die Operation bei Ohr-Polypen für 3-4 Tage Schmerzmedikamente der Opiat-Klasse, ein Antibiotikum wie Marbofloxazin für circa 4 Wochen und Entzündungshemmer in Form von Steroiden. Den Gehörgang empfehlen wir mit 1 ml einer antibiotischen Lösung ebenfalls für 4 Wochen 2 x täglich zu spülen. Hier für widmen wir Baytril 5% ige Injektionslösung um.
Gründe für die Behandlung der entzündlichen Ohr-Polypen der Katze mittels Ventraler Bulla Osteotomie
Wie erwähnt liegt die Chance für einen Erfolg der Therapie nach Extraktion eines Polypen aus dem Gehörgang bei 50%. D.h. 50% haben ein Rezidiv, wie auch 10% der nasopharyngeale Polypen der Katze nach dem „Ziehen“ rezidivieren. Im Fall eines Rezidives wird die Operation der Bulla Osteotomie nötig. Die Ventrale Bulla Osteotomie hat eine 98%ige Erfolgsrate.
Daher entscheiden sich Besitzer, die das Risiko von gegebenenfalls 2 notwendig werdenden Narkosen ausschließen wollen für die Ventrale Bulla Osteotomie. Besitzer die bei Gehörgangspolypen ihrer Katze die best mögliche Therapie, bzw. die größte Heilungs-Chance wünschen entscheiden sich meist schon an erster Stelle für die Ventrale Bulla Osteotomie. Auch wenn die Extraktion der Polypen nicht vollständig gelingt oder ein Rezidiv vorliegt, ist die Ventrale Bulla Osteotomie angezeigt. Bei ausgeprägten röntgenologischen Veränderungen des betroffenen knöchernen Gehöranteils empfiehlt sich die Ventrale Bulla Osteotomie. Ist ein Polyp in der Paukenhöhle ausgemacht worden, aber er hat das Trommelfell noch nicht durchbrochen, dann gewährleistet die Ventrale Bulla Osteotomie den Erhalt des Trommelfells.
Ventrale Bulla Osteotomie
Nachdem diese Strukturen, wie auf den Bildern zu sehen, vorsichtig beiseite geschoben wurden, wird weiter in die Tiefe vorgedrungen.Hierfür muss der zwei-bäuchige Muskel (M.digastricus) beiseite geschoben werden. In der Tiefe kommt dann die Paukenhöhle zum Vorschein. Der sie bedeckende dünne Muskel wird beiseite geschoben. Jetzt liegt die Paukenhöhle frei. Ein ausreichend großes Feld der Paukenhöhle muss freigelegt werden, da diese großflächig eröffnet werden muss. Die Paukenhöhle der Katze wird durch ein Septum in 2 Kammern unterteilt. In beiden Kammern finden sich empfindliche Strukturen, die nicht verletzt werden dürfen, da sonst mit Ausfallerscheinungen zu rechnen ist.
Übersicht:
P: Paukenhöhle (Bulla thympanica)
L: Lymphknoten (Glandula mandibularis)
D: Drosselvene (Vena jugularis) mit Ihrer Aufzweigung.
N: Einer der Zungennerven (Nervus Hypoglossus)
Dieses Septum wird beim Eröffnen der großen Paukenhöhle sichtbar und muss teilweise abgetragen werden, sowie die kleine Kammer selbst eröffnet werden, denn in diese Kammer mündet auf der einen Seite der Gehörgang und auf der anderen Seite der Verbindungsgang zum Nasenrachen. Wir bevorzugen zum Abtragen der Knochendecke eine Laminektomie-Zange. Sie hat eine Art vorgeschobene Zunge, die unter das auszustemmende Gebiet geschoben wird und daher nicht abrutschen kann. Auch werden so kleine Knochenstücke sauber ausgestanzt, weshalb es nicht zum Reißen an der Schleimhaut kommen kann.
Ist die kleine Paukenhöhle freigelegt, bietet sich meist der Blick auf den Polypen. Der Polyp und die Auskleidung der kleinen Paukenhöhle wird extrahiert. Da wir insbesondere chronische Fälle mit der obengenannten medikamentellen Behandlung vorbehandeln, stellt sich die Paukenhöhle meist unentzündlich und frei von eitrigen Material dar. Deshalb und weil wir unter auch die Bulla Osteotomie sterilen Kautelen operieren, verzichten wir fast immer auf eine Drainage. Da auf die Drainage verzichtet wird, die sonst immer in die empfindliche Paukenhöhle eingelegt werden muss, beobachten wir auch seltener neurologische Iritationen im Rahmen der Operation.