Kreuzbandriss-Behandlung und Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO)® beim Hund.
Die TPLO® nach Slocum [(R)] ist eine maßgeschneiderte Lösung für die Therapie des Kreuzbandrisses beim Hund, weil sie die besondere anatomische Situation des Hunde-Knies berücksichtigt. (Die Funktion des Kreuzbandes erklären wir in der Rubrik: Kreuzbandriss beim Kleintier).
Funktionsweise der TPLO:
Unsere Hunde stehen mit angewinkeltem Hinterlauf. D.h. im Stand und in der Belastungsphase sind Ober- und Unterschenkel zueinander gewinkelt, weshalb die Gelenksfäche des Unterschenkels leicht abfällig ist. Im Gegensatz dazu steht der Mensch mit durchgestrecktem Bein, Ober- und Unterschenkel sind senkrecht auf einander ausgerichtet. Eine zu starke Winkelung der abfallenden Unterschenkelgelenksfläche (Tibia Plateau) im Knie wird für den Kreuzbandriss als mit verursachend angesehen und diskutiert [1]. Morris und Lipowitz 2001 wiesen einen größeren Tibiaplateau-Winkel von im Mittel 24° bei Kreuzbandrissen nach. Statt dieser steilen Winkelung wird bei der TPLO die Unterschenkel-Gelenksfläche auf ca. 5° eingestellt.
Unter Belastung werden Gewichts und Beschleunigungskräfte auf die Unterschenkel-Gelenksfläche umgeleitet. Beim Kreuzbandriss werden diese Kräfte nicht mehr vom Kreuzband aufgefangen. Die Kräfte werden dann entlang des Neigungswinkels der Unterschenkel-Gelenksfläche geleitet, was den Unterschenkel im Gelenk nach vorne katapultiert [2]. In diesem Moment kommt es zur (Sub-) Luxation des Unterschenkels nach vorne. Der Oberschenkel springt dabei über den Rand des Meniscus. In der Folge wird der Meniscus verletzt. Die meisten Operationen zur Versorgung des Kreuzbandrisses erstetzen auf verschiedene Art die Funktion des Kreuzbandes, im weitesten Sinne werden Haltevorrichtungen eingebaut.
Durch TPLO werden die obengenannten Schubmomente im Gelenk durch eine Reduzierung (Leveling) der Neigung der Gelenksfläche des Unterschenkels (Tibia Plateau) umgekehrt.
Damit erklärt sich der Begriff “Tibial Plateau Levelling Osteotomy”. Grob übersetzt bedeuet TPLO “Einebnungsosteotmie der Unterschenkelgelenksfläche”. Studien belegen, dass eine Reduzierung dieses Winkels funktionelle Stabilität des Kniegelenks gewährleistet, indem der nach vorne gerichtete Tibiaschub in einen rückwärts gerichteten Tibiaschub umgewandelt wird [3], [4], [5], [6].
Dr. Engelhardt hilft seit dem Jahr 2000 Hunden und Katzen mit der TPLO Technik.
Beeindruckend für den Operateur und anscheinend typisch für die TPLO, sind die subjektiven Erfahrungen mit der Operation. Stellvertretend zitieren wir sinngemäß Dejardin 2002: „Die Heilung scheint rapide einzusetzen. Die Fußung erfolgt meist unmittelbar innerhalb der ersten 2 Tage post OP, gefolgt von rapider Verbesserung der Gliedmaßenfunktion.“ Durch die Maximierung der Chance auf die volle Wiederherstellung der athletischen Funktion, hat sich die Slocum TPLO® für große und aktive Hunde für viele Tierärzte zur Therapie der Wahl entwickelt. Es existieren unterschiedliche Platten und Systeme um der individuellen Situation und dem Körpergewicht gerecht zu werden.
Ganz besonders haben uns die Erfahrungen mit kleinen Hunden (<10kg) erfreut. Zwar können (ca 50% der) Hunde unter 10 kg ohne offensichtliche Lahmheit einen Kreuzbandriss kompensieren. Andererseits treten gerade bei den kleineren Patienten erhebliche Lahmheitsprobleme auf, die mit der TPLO besonders gut behoben werden können. Bei diesen kleinen Kerlen ist eine Kniescheibenluxation (die Kniescheibe springt aus Ihrer Gleitfläche) nämlich die häufigste Ursache für einen Kreuzbandriss [7]. Da mit der TPLO auch die Ursache der Kniescheibenluxation behoben werden kann, eine besonders gute Heilungsgeschwindigkeit und Besitzerzufriedenheit erreicht wird, bevorzugen wir in diesen Fällen auch bei den kleinen Rassen die TPLO. Für die Durchführung und Stabilisierung der Osteotomie ist Erfahrung und eine außerordentliche Präzision notwendig. Ein spezielles Instrumentarium wurde entwickelt, um diese Operation mit minimalem Trauma durchführen zu können. Die Operationsmethode erlaubt durch 3-dimensionale Rotation des Tibia Plateaus die Korrektur häufiger Gliedmaßen-Fehlstellungen.
Die Schwankungen des Operationserfolges sind bei anderen Methoden groß. Schwere Hunde, kräftige Rassen, sehr lebhafte Patienten, vorbestehende degenerative Veränderungen wie Osteoarthritis limitieren den chirurgischen Erfolg bei herkömmlichen Techniken.
Gibt es Alterantiven zur TPLO bei der Behandlung des Kreuzbandrisses?
Die TPLO ist nicht die einzige erfolgreiche Technik zur Behandlung des Kreuzbadrisses. Die ausgewählte Technik zur Versorgung des Kreuzbandrisses sollte auf Basis breiter Diagnostik gestellt werden. So sollte u.a. durch Lahmheitsuntersuchung und Röntgenaufnahmen überprüft werden ob andere Faktoren, wie Verdachtsmomente von Bandscheibenerkrankungen oder Hüftdysplasie etc. vorliegen. Im Bezug auf den Patienten sollten die Ursachen der Entstehung des Kreuzbandrisses aufgearbeitet werden. Diese Informationen sind wichtig für die Wahl der verwendeten Operationsmethode. Vergleichbar erfolgreich bei der Behandlung des vorderen Kreuzbandrisses ist das CCL (Cranial Cruciate Ligament) Lateral Suture System (und ähnliche Techniken). Dieses seitlich angelegte Nahtsystem (extrakapsulär!) imitiert den Verlauf des Kreuzbandes, egalisiert die Schubkräfte und hebt das Schubladen Phänomen auf. Dies ist eine effiziente und verhältnismäßig kostengünstige Operationsmethode, die wir ebenfalls in der ART-Kleintierpraxis anbieten. Wir finden mit Ihnen die für Sie sinnvollste Lösung für Ihren Hund. Tibial Tuberosity Advancement (TTA) führt ähnlich wie die Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO), nur auf anderem Weg, ebenfalls zu einer Kräfteumstellung im Kniegelenk. Warscheinlich sind beide Operationsmethoden bezüglich Ihres Behandlungserfolges vergleichbar [8]. In der ART-Kleintierpraxis begegnen wir häufig orthopädischen Fehlstellungen, wie varus und valgus Deformitäten mit oder ohne Patellaluxation beim Kreuzbandriss. Diese können wir gleichzeitig mit der TPLO elegant korrigieren. Diese Flexibilität sehen wir bei der TTA nicht. In solchen Fällen geben wir der Versorgung mittels TPLO den Vorzug. Für die Zukunft sind weitere Vergleichsuntersuchungen von TPLO und TTA zu erwarten. Bisher scheinen sich die Operationsmethoden bezüglich der Vermeidung von Osteoarthrose nicht zu unterscheiden, eine sichere Beantwortung dieser Frage steht jedoch noch offen.
Warum werden in der ART-Kleintierpraxis zur Behandlung von Kreuzbandrissen TPLO und das Lateral Suture System angewandt?
In der ART-Kleintierpraxis wenden wir zur Behandlung des Kreuzbandrisses die TPLO und das Lateral Suture System an, da die Untersuchungen von Conzemius et al [9] nahe legen, dass diese Operationen gegenüber der Intracapsulären Versorgung überlegen sind. Diese Untersuchungen erhielten von Budsberg und Aragon [10] eine vergleichsweise gute Bewertung im Bezug auf die Evidence. Die Studie ist prospektiv. Um die Ergebnisse nach den verschiedenen Techniken zu objektivieren erfolgte die Funktionsanalyse mittels einer Belastungsplattform im Vergleich einer Gruppe gesunder Hunde. Verglichen werden die Lateral Suture Stabilisation, Intracapsular Stabilisation und die TPLO mit folgenden Ergebnissen: Einerseits können alle Techniken zu normaler Gliedmaßenfunktion führen. Alle Techniken verbessern die Gliedmaßenfunktion. Verglichen mit gesunden Hunden hatten nur 10-15% der Hunde 100% normale Gliedmaßenfunktion nach Operation. TPLO und Lateral Suture System unterschieden sich nicht bezüglich der erreichten Gliedmaßenfunktion nach 6 Monaten. Diese Untersuchung belegte auch die Subjektivität oder zumindest die mangelnde Trennschärfe der klinischen Ganganalyse.
Was spricht für die Anwendung der TPLO?
Individuell bedingte, ibs. orthopädische Anforderungen des Einzelpatienten, Kosten, Nutzen und Heilungsaussichten etc. sollten im Bezug auf die gewählte Operationsmethode gegeneinander abgewogen werden.
1. Thema Osteoarthrose
Als ein weiterer wesentlicher und entscheidender Parameter zur Beurteilung des Operationserfolges ist der Einfluss auf die Entwicklung von Osteoarthrose nach Kreuzbandriss. Es scheint keine Korrelation zwischen der Gliedmaßenfunktion und dem Vorliegen von Ostoeoarthrose zu bestehen [11]. Daher müssen andere Untersuchungen herangezogen werden. In einer prospektiven und damit vergleichsweise relevanteren Untersuchung fanden Rayward et al 2004 [12] bei 40% nach TPLO Osteoathrose und in 60% keine radiologischen Osteoathrose Anzeichen. Der Anstieg des Osteoathrose Scores bezog sich allein auf 16 der 46 untersuchten Hunde. Lazar et al 2005 [13] verglichen an 66 Hunden die extrakapsuläre Stabilisierung (vgl. Lateral Suture System) mit der TPLO . Anhand röntgenologischer Kontrollen fanden sie das bei Vorhandensein von Osteoathrose Zeichen mit 6 facher Wahrscheinlichkeit die extrakapsuläre Technik verwandt wurde.
2. Thema funktionelle Stabilität durch TPLO
Die technische Anwendung des TPLO Prinzips ist kontinuierlich weiterentwickelt worden. Wir verwenden in neuerer Zeit winkelstabile Implantate der Firma Arthrex. Die Vorteile liegen einerseits in der herausragenden Stabilität bei minimierter Belastung des Periosts, andererseits bietet die Platte die Option zur Anwendung einer knotenlosen lateralen “Antirotationsstabilisierungstechnik (InternalBrace-Bandaugmentation, tightrope, lateral suture)”[14], [15] bei Hunden mit ausgeprägter Kniegelenkinstabilität. Dies ist in bestimmten Fällen nochmals ein ‘Game Changer.’ Insbesondere Patienten, die noch keine deutliche Verdickung der Gelenkskapsel (ohne chronisch degnenartiven Progress) aufweisen, profitieren davon.
Die TPLO wird von uns auch als Revisionsoperation bei bereits ohne Erfolg mit herkömmlichen Bandersatzmethoden operierten Patienten eingesetzt.
Prognose
Die Prognose für die vollständige Wiederherstellung einer normalen Belastbarkeit nach der Versorgung eines Kreuzbandrisses mittels TPLO ist generell gut bis sehr gut. Die Verheilung der Naht dauert ca. 14 Tage, die der Osteotomie 8 Wochen. Da Sehnen und Bänder ca 3 Monate zur Heilung benötigen, ist dies der Zeitpunkt, an dem wir die Behandlung als abgeschlossen betrachten.
Die Implantate (Platte und Schrauben) werden routinemäßig nicht entfernt. Sie verbleiben in der Regel im Patienten.
Unabhängig von der Operationsmethode ist ein langsames Fortschreiten der Arthrose im Kniegelenk zu erwarten, diese bleibt bei der TPLO jedoch in der Regel geringgradig.
Die neuere Statistik belegt ein ca. 50%iges Risiko für einen Kreuzbandriss der anderen Seite innerhalb eines Jahres.
Nachsorge
Nach der Operation erhalten Sie einen Nachsorgeplan.
Komplikationen
Meniskusschädigungen können schon bestehen oder nachträglich auftreten. In diesen Fällen ist ein Shaving bis hin zur partiellen oder kompletten Meniskusentfernung notwendig.
Arthrosen und Knorpeldefekte können schon bestehen oder nachträglich auftreten und werden entsprechend versorgt.
Auch Patellasehnenentzündungen können sich entwickeln.
Komplikationen der TPLO sind selten. Durch Einhaltung von Sterilität und sorgfältiger OP-Technik bei kurzer Operationszeit, sowie durch aufmerksame Nachsorge können die meisten Komplikationen (Infektionen, Implantatlockerungen, kleinere Frakturen) verhindert werden.
Im Operationsbereich kann ein Bluterguss entstehen, der später absackt und über die Lymphe abgebaut wird.
[14] Kim SE, Pozzi A, Kowaleski MP, Lewis DD, Tibial osteotomies for cranial cruciate ligament insufficiency in dogs. Vet Surg 2008; 37(2): 111-q25. Doi 10.1111/j.1532-950X.20000361.x.
[15] Berg SC, Sullivan C, Ferrell CL, Troy J, Budsberg SC, Systemetic review of surgical treatments for cranial cruciate ligament disease in dogs. J Am Anim Hosp Assoc. 2014;50(5):315-321.doi: 10.5326(AAHA-MS-6356.